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Echt jetzt?

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 2.0 - Für kleines Geld zum gelben Schein!

Arbeitgeber reiben sich ungläubig die Augen: Ein Telemedizin-Dienst bietet seit Ende 2018 für eine geringe Gebühr die Möglichkeit von Krankschreibungen über Onlineformular und WhatsApp an.

Dies soll durch eine Lockerung des Fernbehandlungsverbotes in der Musterberufsordnung der Ärzte sowie entsprechenden Änderungen in der Berufsordnung verschiedener Landesärztekammern möglich sein.

Derzeit werden nur Krankschreibungen bei Erkältungskrankheiten angeboten. Diese seien ungefährlich und für einen Arzt in der Regel auch ohne persönlichen Kontakt diagnostizierbar. Einem Missbrauch soll dadurch vorgebeugt werden, dass pro Person der Dienst nur zweimal im Jahr genutzt werden kann und die Dauer der Bescheinigung auf wenige Tage beschränkt ist.

Der Nutzer muss in einem Onlineformular Fragen zu bestehenden Erkältungssymptome beantworten, einige persönliche Daten und ein Foto der Versichertenkarte per WhatsApp versenden, eine Gebühr zahlen und erhält – so denn der kooperierende Arzt eine Erkältung bestätigt – eine normale Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zunächst digital als Foto und nachfolgend per Post.

Nun ja: Öffnet eine Online-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht Tür und Tor für „Blaumacher“? Ist dies tatsächlich von der Lockerung des ärztlichen Berufsrechts umfasst? Wie sieht es mit dem Datenschutz aus? Muss der Arbeitgeber eine solche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung akzeptieren?

Fragen über Fragen. Die meisten davon sind nicht abschließend beantwortet. Und wie immer in diesen Dingen, ist es eine nützliche Sache für die Ehrlichen und öffnet Missbrauchsmöglichkeiten für die Unehrlichen. Gewiefte Blaumacher konnten sicher auch bislang ihren Hausarzt bei persönlicher Vorsprache überzeugen. Für nicht ganz so abgebrühte Kandidaten mag es verlockend sein, einfacher und ohne persönliches Gespräch zu ein paar Tagen „Frei“ zu gelangen.

Wie gehen nun Arbeitgeber mit einer solchen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung um? Nicht anders als bisher! Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Sie ist das gesetzlich vorgesehene Dokument, mit dem der Arbeitnehmer das Bestehen und die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit nachweist. Kann der Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen, fehlt er erst einmal nicht unentschuldigt und die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall beginnt.

Der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu. Der Arbeitgeber kann die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anzweifeln. Um den Beweiswert zu erschüttern, muss er im Falle eines Rechtsstreites aber Umstände vorbringen können, die ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründen. Diese Umstände können sich aus der Bescheinigung selbst, den Umständen ihres Zustandekommens oder dem Verhalten des Arbeitnehmers ergeben.

Ein solcher beweiswerterschütternder Umstand konnte bislang die Tatsache sein, dass ein Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt hat, ohne den Arbeitnehmer vorher zu untersuchen. Dies ist auch für die Onlinebescheinigungen denkbar. Im Falle eines Rechtsstreites müsste also das Arbeitsgericht entscheiden, ob die fehlende persönliche Untersuchung zur Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausreicht oder weitere Indizien erforderlich sind. Ist der Beweiswert allerdings erschüttert, muss der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit auf anderem Wege nachweisen. Dies erfolgt üblicherweise durch eine Zeugenvernehmung des behandelnden Arztes nach Schweigepflichtentbindung durch den Arbeitnehmer. Da der Arzt den Arbeitnehmer aber nicht untersucht hat, wird dies wenig bringen. Die Nichterweislichkeit ginge dann zu Lasten des Arbeitnehmers. Bis zum Vorliegen einer obergerichtlichen Entscheidung zu dieser Thematik bestehen also für einen Arbeitnehmer, der diese Möglichkeit nutzt, in jedem Fall rechtliche Risiken.

Freilich ist fraglich, wie der Arbeitgeber erkennt, dass es sich um eine per Onlineformular und WhatsApp erlangte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung handelt. Im Prinzip gar nicht. Es ist eine gewöhliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Hellhörig könnte der Arbeitgeber im Moment noch werden, wenn der bescheinigende Arzt in einem anderen Bundesland sitzt. Bislang haben noch nicht alle Landesärztekammern die Berufsordnungen gelockert.

Es bleibt abzuwarten, wie groß der Zulauf für diese Art Krankschreibungen ist, wie viele Fälle überhaupt zu den Arbeitsgerichten gelangen und wie die Arbeitsgerichte damit umgehen werden.

Tipp für Arbeitgeber: Behalten Sie die krankheitsbedingten Ausfallzeiten Ihrer Arbeitnehmer im Auge. Analysieren Sie diese und entwickeln Sie Vermeidungsstrategien. Sprechen Sie uns an!

Peggy Lomb

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht,

Mediatorin (Universität Bielefeld)

Counsel

 

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