Arbeitgeber können das Tragen künstlicher Fingernägel verbieten
Das Interesse des Arbeitnehmer an der freien Gestaltung seines äußeren Erscheinungsbildes ist stets gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers abzuwägen, z.B. die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden der ihm anvertrauten Bewohnerinnen und Bewohner eines von ihm betriebenen Altenheims zu schützen (Arbeitsgericht Aachen vom 21. Februar 2019 – 1 Ca 1909/18).
Nach § 106 Satz 2 GewO kann der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
Das Weisungsrecht betrifft zum einen die Konkretisierung der Hauptleistungspflicht. Ebenfalls vom Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst, weil zur „Leistung der versprochenen Dienste“ im Sinne des § 611 Abs. 2 BGB zählend, ist jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise von deren Erbringung unmittelbar zusammenhängt.
Als derartige Tätigkeit kann zum Beispiel das vorherige Anlegen einer arbeitgeberseitig vorgeschriebenen Dienstkleidung oder das Unterlassen des Tragens bestimmter privater Kleidungsstücke anzusehen sein (BAG, Urteil vom 2. November 2016 – 10 AZR 596/15). Auch die vorliegend streitige Anweisung, nur mit natürlichen und kurz geschnittenen Fingernägeln zu arbeiten, hängt mit der Erbringung der Arbeitsleistung zusammen und betrifft das Erscheinungsbild, das die Arbeitnehmerin bei der Ausübung ihrer Tätigkeit zu wahren hat.
Tipp
Immer und stets muss sich der Arbeitgeber vor Erteilung von Weisungen hinterfragen, ob ihm dieses im Rahmen seines arbeitgeberseitigen (Weisungs- und Direktions-) Rechtes zusteht und inwieweit er entsprechend dem billigen Ermessen handelt.
Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 2 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Ihm obliegt nach § 106 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 2 die Prüfung, ob er die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet. Bei dieser Prüfung kommt es darauf an, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Arbeitgeber. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hatte (BAG vom 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16).