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Referentenentwurf des BMAS vom 18. April 2023 zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes

Der erste Entwurf ist da!

Seit dem sogenannten Stechuhr-Urteil wird gespannt auf gesetzliche Neuregelungen zur Arbeitszeiterfassung und einen Vorschlag des Gesetzgebers zur Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes gewartet.

Am 18. April 2023 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) nun den ersten Entwurf des "Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes und anderer Vorschriften" vorgelegt. Der Gesetzesentwurf zielt darauf ab, im Lichte der EuGH- und BAG-Rechtsprechung zur Arbeitszeiterfassungspflicht Regelungen zur Erfassung sämtlicher Arbeitszeiten einzuführen.

Der Entwurf des BMAS vom 18. April 2023 sieht vor, dass die gesetzliche Pflicht zur Arbeitszeiterfassung grundsätzlich durch Änderung und Ergänzung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG), insbesondere § 16 ArbZG, umgesetzt werden soll.

Bereits an dieser Stelle sei die erste leichte Kritik gestattet. Es fehlen die notwendigen Schritte zur Modernisierung der Arbeitszeiterfassung und die Ausnutzung der möglichen Freiheiten der grundlegenden EU-Richtlinien.

Der Referentenentwurf sieht Folgendes vor:

 

1. Elektronische Arbeitszeiterfassung

Arbeitgeber* sollten verpflichtet werden, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers am Arbeitstag elektronisch zu erfassen. Der Gesetzgeber schreibt somit die Art und Weise vor, wie geleistete Arbeitsstunden erfasst werden.

Als rechtliche Grundlage sind unter „elektronisch“ nicht nur gängige Zeiterfassungstools und Anwendungen zu verstehen, sondern jetzt auch Tabellenkalkulationssoftwares, wie Excel.

2. „Kollektive Arbeitszeiterfassung“

Zudem sieht der Referentenentwurf in seiner Begründung vor, dass eine „kollektive Arbeitszeiterfassung“ durch die Nutzung und Auswertung von elektronisch geführten Schichtplänen möglich sein soll. Damit wäre auch eine sogenannte passive Arbeitszeiterfassung möglich, sofern durch elektronisch geführte Schichtpläne Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit sowie Abweichungen hiervon, insbesondere Überstunden oder Mehrarbeit, ebenfalls mit erfasst werden.

3. Aufbewahrungspflicht von längstens zwei Jahren

Die Aufzeichnungen sollen für die Dauer des Arbeitsverhältnisses aufbewahrt, jedoch nicht länger als zwei Jahre.

4. Delegierte Arbeitszeiterfassung/Vertrauensarbeitszeit

Arbeitszeiten sollen von Mitarbeitern oder Dritten, wie Vorgesetzten oder Arbeitgebern, erfasst werden können. Es soll jedoch im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers bleiben, ordnungsgemäße Aufzeichnungen zur Arbeitszeit der Mitarbeiter zu führen.

Bei delegierter Arbeitszeiterfassung oder Vertrauensvereinbarungen soll der Arbeitgeber dafür verantwortlich bleiben. Er hat gemäß § 16 Abs. 4 ArbZG-RefE „geeignete Maßnahmen“ zu ergreifen, die sicherstellen, dass Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen über Arbeits- und Ruhezeiten ihm zur Kenntnis gebracht werden.

5. Informationspflichten gegenüber Mitarbeitern

Gemäß § 16 Abs. 5 ArbZG-RefE sollen Arbeitgeber verpflichtet sein, ihren Mitarbeitern auf Anfrage Arbeitszeitaufzeichnungen und eine Kopie der Aufzeichnungen zur Verfügung zu stellen. In der Begründung heißt es, dass auch Beschäftigte ihre Aufzeichnungen im elektronischen Zeiterfassungssystem einsehen und vervielfältigen können sollen, um Informationspflichten nachzukommen.

 

Hinweis: Dadurch dürften sich Überstundenstreitigkeiten für Mitarbeiter einfacher gestalten. Nun würde der Arbeitgeber den Mitarbeiter hinsichtlich der ihm für geleistete Überstunden obliegenden Darlegungs- und Beweislast faktisch „unterstützen“.

 

6. Tariföffnungsklausel

Außerdem enthält der Gesetzesvorschlag in § 16 Abs. 7 ArbZG-RefE eine Tariföffnungsklausel. Danach sollen Ausnahmen zu den vorgeschriebenen Arbeitszeiterfassungen ermöglicht werden, insbesondere längere Fristen für die Aufzeichnung der Arbeitszeiten.

7. Ausnahmen zur Aufzeichnungspflicht

Darüber hinaus sollen bestimmte Arbeitnehmergruppen gemäß § 16 Abs. 7 Nr. 3 ArbZG-RefE von der Aufzeichnungspflicht des § 17 Abs. 1 der EU-Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG ausgenommen werden, ohne dass der Gesetzentwurf konkrete Angaben dazu macht, welche Arbeitnehmergruppen es genau sind. Hierbei soll es sich wohl um „Führungskräfte“ und „anerkannte Sachverständige“ handeln.

8. Übergangsfrist

Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung soll nicht sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes durchgesetzt werden. Vielmehr sieht der Referentenentwurf eine nach Unternehmensgröße gestaffelte Übergangsfrist von ein bis fünf Jahren vor, um die gesetzliche Verpflichtung zur elektronischen Zeiterfassung umzusetzen.

9. Kleinbetriebsklausel etc.

Zwar nicht von der Arbeitszeitaufzeichnung als solcher, jedoch von der elektronischen Aufzeichnungspflicht dauerhaft ausgenommen sein sollen Arbeitgeber mit bis zu zehn Arbeitnehmern, ausländischen Arbeitgeber ohne Betriebsstätte im Inland, wenn sie bis zu zehn Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden, und Privathaushalte, die Hausangestellte beschäftigen.

10. Ordnungswidrigkeit

Verstöße gegen die Pflicht zur elektronischen Aufzeichnung der Arbeitszeiten und der Informationspflichten sollen zukünftig Ordnungswidrigkeiten darstellen. Diese können mit einer Geldbuße bis zu 30.000 Euro bestraft werden.

 

Der Gesetzentwurf des BMAS ist ein Schritt, der die Interessen der Beschäftigten und der Gewerkschaft in den Vordergrund stellt. Leider kommen Gestaltungsmöglichkeiten, die nach EU-Richtlinien möglich sind, nicht zum Tragen. Vor allem werden hiermit (noch) nicht die Vorteile der modernen Arbeitszeitumstrukturierung erkannt und genutzt.

Das Gesetzgebungsverfahren und weitere Beratungen sind noch am Anfang. Der Referentenentwurf lässt allerdings erkennen, in welche Richtung die politische Diskussion zum Thema Arbeitszeiterfassung und Modernisierung des Arbeitsrechts gehen kann.

Noch gilt: Es ist nicht alles Gold was glänzt. Deswegen, frei nach Ambrose Bierce: „Hoffnung ist Wunsch und Erwartung zugleich.“ Wir bleiben für Sie dran!

 


*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.

Dirk Helge Laskawy

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht,

Mediator (Universität Bielefeld), Partner,

Zertifizierter Datenschutzbeauftragter (TÜV)

 

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Mediatorin (Universität Bielefeld)

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